Der Wind der Veränderung: die Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern
Im Oktober 2019 verabschiedete die EU die lang erwartete Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (im Folgenden als Richtlinie oder Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern bezeichnet). Die Richtlinie ist der erste horizontale Rechtsakt der EU zum Schutz von Whistleblowern. Die Richtlinie zielt darauf ab, die Durchsetzung des EU-Rechts durch den Einsatz von Hinweisgebern in bestimmten Bereichen zu verbessern, in denen mangelnde Durchsetzung und Verstöße als potenziell schädlich für das öffentliche Interesse erkannt wurden. Gegenwärtig werden in den Mitgliedstaaten zwei Möglichkeiten zur Umsetzung der Richtlinie diskutiert. Der eine Vorschlag ist eine "1:1-Umsetzung". Der nationale Gesetzgeber würde im Wesentlichen den materiellen Anwendungsbereich der Richtlinie kopieren und einfügen. Die andere Möglichkeit besteht darin, den Anwendungsbereich generell auf alle Rechtsverstöße auszuweiten, wozu ich die Mitgliedstaaten nachdrücklich auffordere.
Die Richtlinie enthält eine weit gefasste Definition des Begriffs "Hinweisgeber", die von Arbeitnehmern und öffentlichen Bediensteten bis hin zu Auftragnehmern und Auszubildenden reicht. Persönliche Motive des Whistleblowers dürfen nicht berücksichtigt werden, sondern nur die begründete Überzeugung, dass die gemeldeten Informationen zum Zeitpunkt der Meldung wahr waren. Sobald die Definition erfüllt ist, sollte der Whistleblower die Kanäle für die Offenlegung respektieren. Es steht dem Hinweisgeber frei, entweder intern oder bei den zuständigen Behörden Meldung zu erstatten, ohne dass er verpflichtet ist, zunächst intern zu melden. Die Richtlinie ermutigt nach wie vor zur internen Meldung. Es sei darauf hingewiesen, dass öffentliche oder private Einrichtungen interne Meldemechanismen einrichten sollten. Zu diesem Zweck enthält die Richtlinie detaillierte Vorschriften darüber, wie diese internen Meldemechanismen funktionieren sollten. Das Gleiche gilt für die zuständigen Behörden. Die direkte Meldung an die Öffentlichkeit (über die Medien oder andere Plattformen) ist die letzte Lösung für den Whistleblower.
Die Richtlinie bietet dem Whistleblower zivil-, verwaltungs-, arbeits- und strafrechtlichen Schutz. Der Whistleblower sollte vor jeder Art von Vergeltung am Arbeitsplatz geschützt werden. Trotz der Bedeutung der Richtlinie werden mehrere Fragen nicht angemessen behandelt. Erstens geht die Richtlinie nicht auf die Fragen der Anonymität und der finanziellen Belohnung ein. Diese beiden Komponenten sind wesentliche Bestandteile des Schutzes von Hinweisgebern, wenn sie richtig angewandt werden. Zweitens wird in der Richtlinie die Einrichtung eines EU-Büros für den Schutz von Hinweisgebern nicht berücksichtigt, das für die Koordinierung der Umsetzung der Richtlinie zuständig ist und eine Anlaufstelle für jeden verwirrten Hinweisgeber darstellt. Schließlich wird in der Richtlinie verlangt, dass der Hinweisgeber zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Informationen erhält, keine eigenständige Straftat begeht. Es ist nicht sicher, was dieses Konzept ist und wie es angewendet werden soll, was den Hinweisgeber in eine schwache Position bringt, da er nicht weiß, ob eine Straftat begangen wurde oder nicht.
Die Umsetzung der Richtlinie erfolgt recht langsam. Nach Angaben des EU Whistleblowing Monitor hat keiner der Mitgliedstaaten die Richtlinie vollständig umgesetzt. Die Frist für die Umsetzung war der 21. Dezember 2021. Leider sind die Mitgliedstaaten in diesem Prozess sehr langsam. Nichtsdestotrotz zeigt die Richtlinie einen Kulturwandel in der EU gegenüber Whistleblowern. War der Whistleblower vor einigen Jahren noch eine heikle Figur, die fast keinen Schutz genoss, so ist er jetzt nach EU-Recht geschützt. Dieser Kulturwandel sollte sich durch die Einführung von whistleblowing Strukturen und den Schutz von Hinweisgebern im Bedarfsfall bemerkbar machen.